Landow, Kultur- und Wegekirche
Steckbrief
Bei der abseits der großen Straßen im Nordwesten Rügens gelegenen heutigen Kultur- und Wegekirche handelt es sich um eines der interessantesten Baudenkmäler der Region. Im Innern des Kirchenschiffes sind acht ummauerte Ständer eines älteren Fachwerkbaus teilweise sichtbar, die dendrochronologisch auf 1312(d) datiert werden konnten. Die Überreste gehören zu den
ältesten bekannten Fachwerk-Kirchenkonstruktionen in Deutschland. Um 1400 wurden der kreuzrippengewölbte polygonale Chor und die Sakristei auf der Nordseite angefügt und der Fachwerkbau mit Backstein ummauert. Der kleine Fachwerkdachturm mit geschweifter Haube entstand wohl 1733. In diesem Jahr wurde auch das Kircheninnere renoviert, das eine reiche Barockausstattung des Stralsunder Bildhauers Elias Kessler besitzt. In den Fußboden eingelassene Deckplatten von Altarmensen mit Weihekreuzen sind Indiz für in vorreformatorischer Zeit einmal vorhandene Nebenaltäre.
Die Kultur- und Wegekirche hat eine sehr vielseitige kulturelle Nutzung und zieht mit Kunst- und Musikprojekten die Besucher an. (u.a. Landower Musiksommer, Veranstaltungen der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, Baltikum konzertant, Kunst- und Video-Installationen). Von Ostern bis Oktober steht sie als Ort der Stille Besuchern offen.
Weiterführende Literatur: Ulrike Reinfeldt: Die Dorfkirche zu Landow: Entdeckung eines Kleinods im Westen Rügens, in: Pommern: Kultur und Geschichte, Heft 1/2012, S. 16-19; Festschrift „700 Jahre Kirche Landow“, Freundeskreis Kirche zu Landow e.V. 2013; Bauhistorische Dokumentation des Büro Lutze & Brandt vom 13.02.2015
Siehe auch die Internetseite des Freundeskreises der Kirche zu Landow e.V.
Chronik
- 1312(d)
dendrochronologische Datierung der eingemauerten Reste eines Fachwerkbaus - damit zählt sie zu den ältesten erhaltenen Überresten einer Fachwerkkirche in Deutschland
- um 1400
Errichtung des kreuzrippengewölbten polygonalen Chores mit Strebepfeilern und der nördlich anschließenden Sakristei. Bei der Aufmauerung eines neuen Kirchenschiffes blieben die Fachwerkständer des Vorgängerbaues, die den Dachstuhl trugen, stehen und wurden eingemauert
- 1657
Glocke, gegossen von Adam Lehmmeyer, Stiftung des Landrats Hinrich von der Osten, Egidius von der Osten und sämtlichen Familienzweigen derer von der Osten
- 1724
Altaraufsatz und Kanzel aus der Werkstatt des Stralsunder Bildhauers Elias Kessler
- 1726
Taufständer von Elias Kessler, die zugehörigen Holzskulpturen sind heute verschollen
- 1733
vermutliche Errichtung des Fachwerkdachturmes mit geschweifter Haube, Ausmalung im Inneren einschließlich der Ausstattung durch Johann Oeßler
- 1938
notdürftige Dachreparatur
- 1950
Kirchenbaurat Schwarz konstatierte Wasserschäden durch die undichte Dachkehle zwischen Kirchenschiff und Sakristei auf der Westseite (siehe Ulrike Reinfeldt: Die Dorfkirche zu Landow: Entdeckung eines Kleinods im Westen Rügens, in: Pommern: Kultur und Geschichte, 1/2012)
- 1977
das spätmittelalterliche Triumphkruzifix (A. 16. Jh.) wurde restauriert und dem neuen Gemeindezentrum Knieper West in Stralsund übergeben
- 1980
Ideen der Berliner Domkantorei, die Landower Kirche zu nutzen, konnten nicht verwirklicht werden
- 1982
Sperrung der wegen schwerer baulicher Mängel und einer fehlenden Gemeinde aufgegebenen Kirche, die Ausstattung wurde zum Teil ausgebaut und eingelagert.
- 1980er Jahre
Es gab viele Bemühungen zur Rettung der Kirche. Besonders die Künstlerin Annelise Hoge trat engagiert für deren Erhalt ein. Unterstützt wurde sie dabei u.a. von dem bekannten Rügener Architekten Ulrich Müther (1934-2007). Von Seiten der LPG Pflanzenproduktion Samtens gab es Bestrebungen, die Landower Kirche als Kulturhaus zur Nutzung zu übernehmen.
- 1991
Notsicherung Dachstuhl, Wände und Gewölbe, in den folgenden Jahren weitere Bau- und Sicherungsmaßnahmen,
Landow ist erstmals Spielstätte der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern- 1992
Turmsanierung, Instandsetzung und Eindeckung der Dächer von Chor und Sakristei
- 2000
im Frühjahr Gründung des Freundeskreises der Kirche zu Landow
- 2002/03
grundlegende Sanierungsmaßnahmen am Dachstuhl des Langhauses, Dachdeckung der Nordseite des Langhauses, Instandsetzung der Fenster und der Strebepfeiler
- 2005/06
weitere grundlegende Sanierungsmaßnahmen: Ergänzungen am Dachstuhl des Langhauses, Dachdeckung der Südseite des Langhauses, Blitzschutz, Sanierung des Mauerwerks außenseitig, der Fundamente und des Traufpflasters (mit Unterstützung von Dorfkirchen in Not)
- 2006
Instandsetzung von Fußboden, Empore, Portalen, Treppe, Ausstattung (neues Gestühl, Leinwand usw.), (Programm Leader+), Wiedereinbau der bemalten Bretterdecke
- 2010
technische Instandsetzung des Chorgewölbes
- 2011-2013
Weitere Maßnahmen an der historischen Ausstattung: Patronats- und Beichtgestühl / Altar / Kanzel / Taufe (mit Unterstützung von Dorfkirchen in Not)
- 2012
der Freundeskreis Kirche zu Landow e.V. erhält den Förderpreis 2011 der Kulturstiftung Rügen
- 2013
700-Jahrfeier, Herausgabe einer Festschrift "700 Jahre Kirche Landow" Freundeskreis Kirche zu Landow e.V.
- 2017
Wiederinbetriebnahme der Bronzeglocke von 1657
Bauzustand und Schadensbild
Massive Bauschäden und eine fehlende Gemeinde führten in den 1970er Jahren zur Aufgabe der Kirche, die 1982 in eine baupolizeiliche Sperrung mündete. Die Ausstattung wurde ausgebaut und ein- bzw. ausgelagert.
Ab 1991 erfolgten sehr umfangreiche Sanierungsarbeiten in vielen Einzelschritten. Die bauliche Konstruktion wurde dauerhaft gesichert. Die abschließende Wiederherstellung der Wand- und Gewölbeoberflächen steht aktuell (2018) noch aus, im Langhaus ist dabei vorgesehen, die Spuren des Fachwerkbaus sichtbar zu belassen.
Die Ausstattung wurde u. a. 2005 und 2006 während zweier „akademischer Sommerschulen“ von Studierenden der HfBK Dresden gesichert, restauriert und wieder aufgestellt, in diesem Zusammenhang erfolgte auch die Konservierung und der Wiedereinbau der bemalten Bretterdecke. Weitere behutsame Restaurierungsmaßnahmen an der Ausstattung, insbesondere der Kanzel, sind geplant.